Sachbericht des 21. Sächsischen Treffen zur Suchtprävention am 4./5. Mai 2012 in Dresden
Unsere diesjährige Tagung stand unter der Überschrift „Abstinent leben in einer süchtigen Gesellschaft“. Die Teilnahme von über 400 Betroffenen, Angehörigen und professionellen Mitarbeitern der Suchthilfe hat uns gezeigt, dass die Dresdner Treffen in besonderer Weise dem Bedürfnis der Weiterbildung und des Erfahrungsaustauschs dienlich sind. Erkenntnisse und Erfahrungen aus der Wissenschaft, aus der Praxis der Beratung, der Behandlung und aus der Selbsthilfe wurden auch in diesem Jahr ausgetauscht und zur Weiterentwicklung primär -, sekundär- und tertiär-präventiver Ansätze genutzt.
Herr Alf-Rüdiger König, Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz des Freistaates Sachsen, eröffnete die Tagung mit einem Grußwort. Wir danken Herrn König für die Würdigung der Arbeit des sächsischen Suchthilfesystems, insbesondere der Selbsthilfegruppen.
Der Einleitungsvortrag wurde von Herrn Prof. Dr. Kurt Mühler, Universität Leipzig, Institut für Soziologie, gehalten. Er spannte dabei den Bogen von der grundsätzlichen Betrachtung gesellschaftlicher Rahmenbedingungen zu den konkreten abstinenzförderlichen Bedingungen für Abhängige. Sein Tagungsbeitrag endete wie folgt:
„Die starken sozialen Bindungen eines CMA sollten deshalb frei von direkten und indirekten Trinkanreizen und eine sichere Quelle von Belohnungen für Abstinenz sein. Aus ihnen heraus können Beziehungen eingegangen werden, die darüber hinaus auch die Gefahren einer „süchtigen Gesellschaft“ enthalten, ohne, dass die Abstinenz bedroht ist. Menschen, die fest davon überzeugt sind, dass, wie auch immer beschaffene „Richtige“ zu tun, können Berge versetzen und jeder Versuchung widerstehen.“ Danach kamen zwei Betroffene zu Wort, die über ihre Erfahrungen im „Berge versetzen“ berichteten.
Herr Winfried Kurzer vom Verein „Suchtselbsthilfegruppen Zwickau e.V.“ konnte den Tagungsteilnehmern eindrücklich seinen langen, letztlich erfolgreichen Weg zur Abstinenz schildern:
„Vor allem kann ich heute erhobenen Hauptes durchs Leben gehen und ohne Ängste in den Spiegel schauen. Auch viele schlaflose Nächte haben mich nicht aus der Bahn geworfen. 4 1/2 Jahre Abstinenz sind für mich schon eine lange Zeit, mit vielen Höhen und Tiefschlägen. Gefahren lauern nun mal überall.“
Herr Enrico Kirchner von der Selbsthilfegruppe in Arnstadt ließ uns an seinem Weg aus der Glücksspielsucht teilhaben: „Mit Sorgen und Problemen gehe ich heute offener um und suche das Gespräch mit meiner Freundin und meiner Familie sowie in der Selbsthilfegruppe.“ Er schloss seinen Bericht mit dem hoffnungsvollen Satz:
„Ich bin ein ganz anderer Mensch geworden, lebe in einer glücklichen Beziehung und genieße mein neues Leben mit dem Motto: „Das Leben ist schön!“
In den Vorträgen von Herrn Prof. Dr. Mühler, Herrn Kurz und Herrn Kirchner zeigte sich die besondere Qualität unserer Dresdner Treffen. So ermöglichte jeder einzelne Vortrag einen Erkenntnisgewinn für die Teilnehmer, die Kombination aber von wissenschaftlicher Betrachtung und Erfahrungsberichten führte zu tieferem Verständnis. Am zweiten Tag der Veranstaltung wurden in 9 Arbeitsgruppen Aspekte des Tagungsthemas vertieft. Auch in diesem Jahr waren die Diskussionen von Offenheit und Neugierde geprägt. Auch hier konnten durch die verschiedenen Perspektiven und Erfahrungshintergründe der Teilnehmer neue Ansichten kennen gelernt und Einsichten gewonnen werden. Die Ergebnisse werden im Tagungsband 2013 veröffentlicht.Zum Abschluss der Tagung wurde unter reger Teilnahme des Auditoriums das Podiumsgespräch zum Thema „Was tun gegen Sucht?“ geführt. Teilnehmer waren Herr Alexander Kraus, MdL Sachsen, Bernd Merbitz, Landespolizei-präsident Sachsen, Roland Retzlaff, DRV Mitteldeutschland, Dr. Frank Härtel, GAD-Sachsen. Es konnte auf dem Podium Einigkeit erzielt werden, dass in der Suchtberatung und -behandlung das Ziel der Abstinenz nicht zur Debatte stehen darf. Die Diskutanten wandten sich gegen die Forderungen von Anhängern einer liberalen und akzeptierenden Drogenpolitik. Die Beiträge aus dem Auditorium bestärkten die Haltung der GAD-Sachsen, dass eine erfolgreiche Drogenpolitik das Ziel der Abstinenz an erster Stelle führen muss. Uwe Wicha
Vorsitzender GAD-Sachsen Zusammenfassung der Ergebnisse des 20. Sächsischen Treffen zur Suchtprävention am 13./14. Mai 2011 in Dresden
gestatten Sie mir, Ihnen eine kurze Zusammenfassung der Ergebnisse des 20. Sächsischen Treffen zur Suchtprävention, welches am 13. und 14. Mai 2011 im Hotel Elbflorenz in Dresden stattfand, zu geben. In diesem Jahr konnten wir Herrn Landtagspräsidenten Dr. Rößler gewinnen, anlässlich unseres 20 jährigen Jubiläums die Tagung zu eröffnen. Die wieder ca. 300 Teilnehmer unseres 20. Dresdner Treffens wussten dies als Anerkennung ihres ehrenamtlichen Engagements zu würdigen. Unsere Tagung stellte auch in diesem Jahr eine Plattform des Meinungsaustausches für die Vertreter der Suchtselbsthilfe und den professionellen Helfern dar. Darüber hinaus wurden neueste wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Suchtforschung zur Primär- Sekundär – und Tertiärprävention vorgestellt und diskutiert. In seinem Einleitungsvortrag stellte Herr Wilhelm die Geschichte der Gesellschaft gegen Alkohol und Drogenmissbrauch und ihrer Vorläufer in der DDR dar. Herr Wilhelm konnte den Teilnehmern sehr interessante Einblicke in die wechselhafte Geschichte der Suchtkrankenhilfe vor und nach der Wende eröffnen. Herr Dr. Thoms, Chefarzt der Kinder und Jugendpsychiatrie Leipzig Südost, Parkrankenhaus schloss mit einem sehr interessanten Vortag zum Thema „Kinder suchtkranker Eltern“ an. Mit zahlreichen Fallbeispielen wies Herr Dr. Thoms auf die Problematik dieser Kinder hin und machte auf eine notwendige bessere Versorgung aufmerksam. In den neun Arbeitsgruppen wurden Themen des Abstinenzerhaltes und der Rückfallgefahr erörtert. Die offene Atmosphäre unserer Dresdner Treffen ermöglichte auch in diesem Jahr wieder angeregte Diskussionen.
Neben den Arbeitsgruppen in denen der Erfahrungsaustausch im Vordergrund steht, erfreuten sich auch die Arbeitsgruppen „Betriebliche Suchtkrankenhilfe“ und „Pathologisches Glücksspiel und Internet“ guten Zulaufs.
Das Weiterbildungsseminar für Ärzte, Psychologen, Sozialarbeiter und andere in der Suchthilfe professionell Tätige hatte das Thema „Kindeswohl bei Kindern suchtkranker Eltern“. Hier konnte aus Sicht verschiedener Institutionen und Berufsgruppen der Hilfebedarf dargestellt und diskutiert werden. Zum Ende der Tagung hatte die GAD Sachsen die Vertreter aus der Politik zu einer Podiumsdiskussion geladen. Wir konnten in diesem Jahr Herrn Alexander Kraus, CDU, Frau Freya-Maria Klinger, Die Linke, Frau Dagmar Neukirch, SPD, und Frau Elke Hermann, Grüne begrüßen.
In der Diskussion wurde die Leistungsfähigkeit der Suchtkrankenhilfe in Sachsen beschrieben aber auch die Notwendigkeit für den Bestand des erreichten Niveaus eintreten zu müssen.
Uwe Wicha
Vorsitzender GAD-Sachsen
Zu unserer diesjährigen Tagung konnten wir wieder ca. 400 Teilnehmer begrüßen. Die Tagung hat sowohl für Professionelle, als auch für Betroffene und deren Angehörige an Bedeutung und Aufmerksamkeit gewonnen. Sie stellt eine Plattform des Meinungsaustausches dar. Darüber hinaus werden neueste wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Suchtforschung zur Primär- Sekundär – und Tertiärprävention vorgestellt und diskutiert.
In ihrem Einleitungsvortrag stellte Frau Dr. Spittler-Schneiders die Frage nach der Sinnhaftigkeit des „Hirndopings“. Sie zog dabei die Parallele vom Doping im Sport, welcher durchaus auch geeignet sein könnte, das Hirndoping im Alltag zu kanalisieren. Mittlerweile würden ca. 5 % der Beschäftigten die psychische Leistungsfähigkeit steigernde Medikamente einnehmen. Diese Entwicklung sei besorgniserregend. Hinter dieser Entwicklung, so Frau Dr. Spittler-Schneiders, stehen Fehleinstellungen: immer zu Höchstleistungen fähig zu sein, keine Fehler machen zu dürfen, keine Schwächen zeigen zu dürfen usw. Der Anspruch nach Glück und immer währender Zufriedenheit sei unrealistisch. Dieser Anspruch kann sich durchaus nach Eliot zur Tyrannei des Glückes umkehren.
Herr Dr. Weiß ging in seinem Vortrag sehr detailliert auf den Aufbau einer zufriedenen Abstinenz ein. In Sonderheit referierte er über Bewältigungsstrategien bei Konflikten, Spannungen etc. Dabei geht es u.a. um den Aufbau alternativer Erlebens- und Verhaltensweisen. So sei das Leben auf der einen Seite immer ein Fehlermanagement, auf der anderen Seite benötigen aber auch die Glückszustände ein adäquates Management. Der Volksmund hat hierfür die treffende Redewendung parat: Wenn es dem Esel zu gut geht, geht er auf´s Eis tanzen. Dieser Sachverhalt sei beim Rückfallgeschehen relativ häufig zu beobachten. Herr Dr. Weiß rundete seinen Vortrag damit ab, dass es gelte, die Früchte der Abstinenz zu ernten und diese auch genießen zu lernen.
In dem Bericht eines Betroffenen zu dem Thema: „Motivation zur Veränderung – wer nur trocken bleibt, vertrocknet“ wurde die Vielschichtigkeit des Aufbaus neuer Lebensziele und des ständigen Erhaltes der Abstinenz umschrieben. In einer sehr bildhaften und gut nachzuvollziehenden Sprache wurden lebensthematische Zielsetzungen mit ihrer positiv motivierenden Kraft, aber auch mit der Notwendigkeit auf Altes zu verzichten diskutiert. Für alle Zuhörer war es sehr wichtig, an einem konkreten Beispiel Möglichkeiten und Fallstricke der Veränderungsmotivation nachzuvollziehen. Herr Chefarzt Moritz hielt einen Vortrag zu den neuen Richtlinien bei der Medizinisch-Psychologischen Untersuchung für alkohol-/drogenauffällige Kraftfahrer. Er erläuterte die Anwendungsmodalitäten des vorgeschriebenen ETG-Wertes. Für alle Teilnehmer war dieser Vortrag äußerst wichtig, da viele Betroffene ihren Führerschein alkohol-/drogenbedingt verloren hatten. Auf der anderen Seite stelle der Führerschein ein wichtiges Instrument dar, um überhaupt wieder in den Arbeitsprozess zu gelangen. Herr Chefarzt Moritz verband die Medizinisch-Psychologische Untersuchung und den Modus der Abstinenzkontrolle mit dem Aufbau positiver Lebensziele und den Möglichkeiten des Wiedereinstieges in das Berufsleben.
In den neun Arbeitsgruppen wurden die verschiedensten Facetten des Aufbaus abstinenter Lebensstile, aber auch der Rückfallgefahren diskutiert. Die Arbeitsgruppen erarbeiteten kleine und übersichtliche Statements, welche in dem Tagungsband unserer Tagung 2011 veröffentlicht werden. In allen Arbeitsgruppen herrschte eine offene und diskussionsfreudige Atmosphäre. So hatten die Teilnehmer die Möglichkeit, ihre Erfahrungen differenziert darzustellen und in der gemeinsamen Gruppenarbeit entsprechende Schlüsse daraus zu ziehen. Die sehr speziell ausgerichteten Arbeitsgruppen zu den nicht substanzgebundenen Süchten, zu Sucht und Familie, als auch das Weiterbildungsseminar für Ärzte, Psycho-logen und andere Therapeuten erfreuten sich eines regen Zuspruchs.
Insgesamt zeichnete sich im Tagungsverlauf eindeutig die Erkenntnis ab, dass Suchter-krankungen keine Einzelerscheinungen mehr sind.
Zum Ende der Tagung hatte die GAD Sachsen die Vertreter aus der Politik zu einer Podiumsdiskussion geladen. Auf unsere Einladungen folgten einige Entschuldigungen von politischen Mandatsträgern, welche schon häufiger an unserer Tagung teilgenommen hatten, aber durch Veranstaltungen in ihren Parteien oder politischen Gremien gebunden waren. Von der CDU erschien Herr Frank Hirche und stellte sich der Diskussion. Kernpunkte der Diskussion waren folgende:
Das in Sachsen gut funktionierende Suchtkrankenhilfesystem soll unbedingt in seiner Effektivität und Funktionalität erhalten werden Kosteneinsparungen in diesem System gehen mit Personalabbau vor allen Dingen in den Suchtberatungsstellen einher. Mit einer möglichen personellen Ausdünnung innerhalb der Suchtberatungsstellen ist die adäquate Versorgung der Betroffenen Menschen nicht mehr möglich. Das hätte zur Folge, dass automatisch mehr Kosten auf die Krankenkassen, die Rentenkassen (Frühberentung) aber auch auf die Justiz (Straffälligkeit) zukommen würden.
Die Suchtkrankenhilfe in Sachsen benötigt Kooperationspartner sowohl im öffentlich-rechtlichen Raum, d. h. bei den Kommunen, Krankenhäuser etc., aber auch Kooperationspartner in der Wirtschaft.[Übersicht »»»]
Abschließend möchte ich mich herzlich für Ihre Unterstützung bedanken und verbleibe mit freundlichen Grüßen
Uwe Wicha
Vorsitzender GAD-Sachsen
Das Modellprojekt der Bundesregierung zur Heroinvergabe in 7 deutschen Großstädten ist abgeschlossen. Die Ergebnisse des Vergleiches von Heroinvergabe und Methadonsubstitution in 4 verschiedenen Teilnehmergruppen zeigten einen statistischen Vorteil für die Heroinvergabe. Folgende Zahlen werden im Bericht des Modellprojektes hervorgehoben: Die Untersuchung hatte 1032 Teilnehmer, geplant waren 1200. 20% davon waren Frauen, der Start des Modellprojektes erfolgte im Februar 2002. 2 Kriterien wurden besonders untersucht: die Verbesserung des Gesundheitszustandesder Rückgang des illegalen Drogenkonsums, wobei Methadonsubstituierte Patienten, die Heroin erhielten, gegenübergestellt wurden. Eine Verbesserung des Gesundheitszustandes wurde erfasst bei 80% der Heroinversorgten und 74% der Methadonsubstituierten. Ein Rückgang des illegalen Drogenkonsums wurde dargestellt bei 69% der Heroinversorgten und 55% der Methadonsubstituierten. Diese Differenzen hatten statistische Signifikanz.
Nun steht für die Heroinvergabe auf Betreiben von Hamburg und Hessen eine Gesetzesinitiative zur Einführung der „Diamorphinbehandlung“ in bundesweitem Ausmaß an. Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen beziehen bisher gegen diese Absichten Position. Damit ist der Zeitpunkt gegeben, nochmals eine differenziertere Bewertung des Modellprojektes und der zu erwartenden Auswirkungen auf die Praxis vorzunehmen.
Die Akquise der Teilnehmer des Modellprojektes erfolgte durch Veröffentlichungen in der regionalen Presse, über die die Teilnehmer eingeworben wurden. Da die Probandenzahl nicht ausreichte, wurden teilweise gut stabilisierte langzeitmethadonsubstituierte Patienten wieder mit Heroin versorgt. Von den Heroinversorgten erhielten bis zu einem Drittel täglich zusätzlich Methadon zur Kupierung von Entzugserscheinungen. Beikonsum wurde mangelhaft kontrolliert, dabei ist prinzipiell bei Heroinversorgten der zusätzliche illegale Konsum von Straßenheroin mit Bestimmtheit schwer nachweisbar. Zu erwähnen ist, daß Heroin als Reinsubstanz erheblich komplikationsträchtiger ist als andere Substitutionsmittel. Heroin wird von den Abhängigen wegen des damit verbundenen Kicks genommen. Wird nun „knapp“ dosiert, werden die gewünschten Effekte bei den Konsumenten nicht eintreten und der Beikonsum wächst. Wird reichlich dosiert, kommen soziale Reintegration oder auch weitere kriminelle Aktionen nicht infrage, da der Konsument über Stunden dazu unfähig ist. Bei beiden Personengruppen wird mit sinkendem Spiegel nicht die soziale Integration, sondern Craving die Szene bestimmen und auch die Handlungsweisen. Es ist fraglich, wie in solchem Wechselspiel Persönlichkeitsentwicklung und Abstinenzorientierung in größerer Zahl Platz greifen sollen. Nicht vernachlässigt werden kann der hohe ökonomische Aufwand für eine sehr kleine Zielgruppe. Dabei haben wir zur Zeit zu wenig finanzielle Mittel bei der ständig steigenden Zahl jugendlicher Cannabisabhängiger einzusetzen. Wenn die Heroinvergabe bundesweit eingeführt wird, ist das bezogen auf die Aufgaben des Suchtkrankenhilfesystems eine Fehlallokation zur Verfügung stehender Mittel. Natürlich wird für den Einsatz von Diamorphin angekündigt, daß dies nach strengsten Kriterien erfolgt. Diese Vorgaben erinnern sehr stark an die Aussagen vor der Etablierung der Methadonsubstitution in Deutschland Anfang der 90er Jahre. Hier lohnt sich allerdings ein Blick auf die heutige Praxis. Psychosoziale Begleitung soll bei den Substituierten obligat sein. In Sachsen aber erhalten sie nicht einmal 50% der Methadonsubstituierter. Dieser Mangel ist vordringlich zu beheben. Ursprünglich war der Methadoneinsatz als Ausnahme mit 3 Indikationen vorgesehen: als Palliativbehandlung, als Unterstützung für gravide Opiatabhängige und als Überbrückung bis zum Antritt einer abstinenzorientierten Therapie. Daraus geworden ist heute zum Teil eine Dauerversorgung abstinenzunwilliger Patienten. Beikonsum und take-home-Dosen sind Alltag in der Substitution. Sollte die Gesetzesinitiative Erfolg haben, wird für die Heroinvergabe eine gleiche Entwicklung in der Praxis zu erwarten sein. Wir werden kurze Zeit nach dem „strikten“ Beginn über die take-home-Dosis von Heroin reden und dann wird dieser Weg Praxisalltag sein. Drogenabhängige kommen so aus dem Gesichtsfeld der Gesellschaft, Drogenabhängigkeit aber wird chronifiziert. Die Heroinvergabe in Sachsen einzuführen, kann deshalb nicht empfohlen werden. Diese Position wird auch von namhaften sächsischen Gremien gestützt. Am 11./12. Mai 2007 fand in Dresden eine Tagung der Gesellschaft gegen Alkohol- und Drogengefahren statt mit 400 Teilnehmern. Heroinvergabe wurde dort einhellig abgelehnt. Am 03.07.2007 tagte der Fachausschuß „Stationäre Einrichtungen“ der Sächsischen Landesstelle gegen die Suchtgefahren, in dem u.a. alle psychiatrischen Fachkrankenhäuser und eine Vielzahl psychiatrischer Abteilungen vertreten sind. Auch dort wurde die Einführung von Heroinvergabe einstimmig abgelehnt. Wir können unserer Staatsregierung und dem Sozialministerium nur Standfestigkeit wünschen in der Beibehaltung der bisherigen Position. Sollte sich die Heroinvergabe dennoch in Deutschland etablieren, kann das nur unter ordnungspolitischem Gesichtspunkt geschehen. Dann muß die Versorgung aber außerhalb des Suchtkrankenhilfesystems und zu Lasten der Haushalte der Innen- oder Justizministerien der jeweiligen Länder erfolgen. Heroinvergabe ist keine Behandlung der Abhängigkeit.
Dr. F. Härtel
Suchtbeauftragter
Im Haushaltsentwurf des SMS für die Jahre 2009/2010 ist eine Kürzung der Haushaltstitel, die die Förderung von Suchtberatungsstellen betreffen, um annähernd 20% im Vergleich der Jahre 2005 mit 2010 enthalten. Suchtberatungsstellen sind in Sachsen seit Jahren das etablierte Herzstück ambulanter Suchtkrankenhilfe, sie sind erster weichenstellender Anlaufpunkt bei der Entwicklung von Krankheitsverständnis und dem Zugang zu den verschiedenen Behandlungen. Sie vermitteln Krankenhausbehandlung und Rehabilitation, leisten die Arbeit mit den Angehörigen und die poststationäre Nachsorge, kooperieren mit ambulanten Ärzten und Selbsthilfegruppen. In den letzten Jahren haben trotz bereits eingetretener Kürzungen neue Aufgaben in der Versorgung Drogenabhängiger, Polytoxikomaner, pathologischer Glücksspieler die Beratungsstellen vermehrt in Anspruch genommen. Ein nochmaliger Patientenzuwachs im Zusammenhang mit Computerspielen und Handyspielen kommt. Dieser Ansturm ist weder personell noch in den Behandlungskapazitäten aufzufangen. Damit steht, wenn wir die erkrankten Mitglieder unserer sächsischen Jugend nicht ihrem Schicksal überlassen wollen, nur eine Erhöhung der Aufwendungen für Suchtberatungsstellen zur Disposition und das auf Dauer und nicht nur projektbezogen vorübergehend. Seit der Wende wurden im Sächsischen Sozialministerium und Sächsischen Landtag die Entwicklung der Suchtberatungsstellen gesehen und haushaltstechnisch berücksichtigt. In die gleiche Richtung gehen die Beschlüsse des Sächsischen Landtages vom 21.07.2006 (Drucksache 4/4268 „Suchthilfe in Sachsen ausbauen“) und die Koalitionsaussage in der Vereinbarung von 2004. Diese Grundlagen sächsischer Suchtpolitik werden durch den neuen Haushaltsansatz unglaublich konterkariert. Wer vergißt hier die eigenen Festlegungen? Wir fordern, diese Beschneidungen der Beratungsstellenförderung im Haushalt komplett aufzuheben, mit der Sächsischen Landesstelle bzw. den verschiedenen Wohlfahrtsverbänden die Erhöhung der Beratungsstellenförderung abzustimmen, weil sich das Aufgabenspektrum wie aufgezeigt erweitert. Das wohlhabende Sachsen ist in der Lage, die finanziellen Folgen aus dem Desaster der Sachsen-LB zu kompensieren. Deshalb erwarten wir, daß auch für erkrankte Bürger Sachsens die nötigen finanziellen Mittel aufgewendet werden.
Sachbericht des 21. Sächsischen Treffen zur Suchtprävention am 4./5. Mai 2012 in Dresden
Unsere diesjährige Tagung stand unter der Überschrift „Abstinent leben in einer süchtigen Gesellschaft“. Die Teilnahme von über 400 Betroffenen, Angehörigen und professionellen Mitarbeitern der Suchthilfe hat uns gezeigt, dass die Dresdner Treffen in besonderer Weise dem Bedürfnis der Weiterbildung und des Erfahrungsaustauschs dienlich sind. Erkenntnisse und Erfahrungen aus der Wissenschaft, aus der Praxis der Beratung, der Behandlung und aus der Selbsthilfe wurden auch in diesem Jahr ausgetauscht und zur Weiterentwicklung primär -, sekundär- und tertiär-präventiver Ansätze genutzt.
Herr Alf-Rüdiger König, Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz des Freistaates Sachsen, eröffnete die Tagung mit einem Grußwort. Wir danken Herrn König für die Würdigung der Arbeit des sächsischen Suchthilfesystems, insbesondere der Selbsthilfegruppen.
Der Einleitungsvortrag wurde von Herrn Prof. Dr. Kurt Mühler, Universität Leipzig, Institut für Soziologie, gehalten. Er spannte dabei den Bogen von der grundsätzlichen Betrachtung gesellschaftlicher Rahmenbedingungen zu den konkreten abstinenzförderlichen Bedingungen für Abhängige. Sein Tagungsbeitrag endete wie folgt:
„Die starken sozialen Bindungen eines CMA sollten deshalb frei von direkten und indirekten Trinkanreizen und eine sichere Quelle von Belohnungen für Abstinenz sein. Aus ihnen heraus können Beziehungen eingegangen werden, die darüber hinaus auch die Gefahren einer „süchtigen Gesellschaft“ enthalten, ohne, dass die Abstinenz bedroht ist. Menschen, die fest davon überzeugt sind, dass, wie auch immer beschaffene „Richtige“ zu tun, können Berge versetzen und jeder Versuchung widerstehen.“ Danach kamen zwei Betroffene zu Wort, die über ihre Erfahrungen im „Berge versetzen“ berichteten.
Herr Winfried Kurzer vom Verein „Suchtselbsthilfegruppen Zwickau e.V.“ konnte den Tagungsteilnehmern eindrücklich seinen langen, letztlich erfolgreichen Weg zur Abstinenz schildern:
„Vor allem kann ich heute erhobenen Hauptes durchs Leben gehen und ohne Ängste in den Spiegel schauen. Auch viele schlaflose Nächte haben mich nicht aus der Bahn geworfen. 4 1/2 Jahre Abstinenz sind für mich schon eine lange Zeit, mit vielen Höhen und Tiefschlägen. Gefahren lauern nun mal überall.“
Herr Enrico Kirchner von der Selbsthilfegruppe in Arnstadt ließ uns an seinem Weg aus der Glücksspielsucht teilhaben: „Mit Sorgen und Problemen gehe ich heute offener um und suche das Gespräch mit meiner Freundin und meiner Familie sowie in der Selbsthilfegruppe.“ Er schloss seinen Bericht mit dem hoffnungsvollen Satz:
„Ich bin ein ganz anderer Mensch geworden, lebe in einer glücklichen Beziehung und genieße mein neues Leben mit dem Motto: „Das Leben ist schön!“
In den Vorträgen von Herrn Prof. Dr. Mühler, Herrn Kurz und Herrn Kirchner zeigte sich die besondere Qualität unserer Dresdner Treffen. So ermöglichte jeder einzelne Vortrag einen Erkenntnisgewinn für die Teilnehmer, die Kombination aber von wissenschaftlicher Betrachtung und Erfahrungsberichten führte zu tieferem Verständnis. Am zweiten Tag der Veranstaltung wurden in 9 Arbeitsgruppen Aspekte des Tagungsthemas vertieft. Auch in diesem Jahr waren die Diskussionen von Offenheit und Neugierde geprägt. Auch hier konnten durch die verschiedenen Perspektiven und Erfahrungshintergründe der Teilnehmer neue Ansichten kennen gelernt und Einsichten gewonnen werden. Die Ergebnisse werden im Tagungsband 2013 veröffentlicht.Zum Abschluss der Tagung wurde unter reger Teilnahme des Auditoriums das Podiumsgespräch zum Thema „Was tun gegen Sucht?“ geführt. Teilnehmer waren Herr Alexander Kraus, MdL Sachsen, Bernd Merbitz, Landespolizei-präsident Sachsen, Roland Retzlaff, DRV Mitteldeutschland, Dr. Frank Härtel, GAD-Sachsen. Es konnte auf dem Podium Einigkeit erzielt werden, dass in der Suchtberatung und -behandlung das Ziel der Abstinenz nicht zur Debatte stehen darf. Die Diskutanten wandten sich gegen die Forderungen von Anhängern einer liberalen und akzeptierenden Drogenpolitik. Die Beiträge aus dem Auditorium bestärkten die Haltung der GAD-Sachsen, dass eine erfolgreiche Drogenpolitik das Ziel der Abstinenz an erster Stelle führen muss. Uwe Wicha
Vorsitzender GAD-Sachsen Zusammenfassung der Ergebnisse des 20. Sächsischen Treffen zur Suchtprävention am 13./14. Mai 2011 in Dresden
gestatten Sie mir, Ihnen eine kurze Zusammenfassung der Ergebnisse des 20. Sächsischen Treffen zur Suchtprävention, welches am 13. und 14. Mai 2011 im Hotel Elbflorenz in Dresden stattfand, zu geben. In diesem Jahr konnten wir Herrn Landtagspräsidenten Dr. Rößler gewinnen, anlässlich unseres 20 jährigen Jubiläums die Tagung zu eröffnen. Die wieder ca. 300 Teilnehmer unseres 20. Dresdner Treffens wussten dies als Anerkennung ihres ehrenamtlichen Engagements zu würdigen. Unsere Tagung stellte auch in diesem Jahr eine Plattform des Meinungsaustausches für die Vertreter der Suchtselbsthilfe und den professionellen Helfern dar. Darüber hinaus wurden neueste wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Suchtforschung zur Primär- Sekundär – und Tertiärprävention vorgestellt und diskutiert. In seinem Einleitungsvortrag stellte Herr Wilhelm die Geschichte der Gesellschaft gegen Alkohol und Drogenmissbrauch und ihrer Vorläufer in der DDR dar. Herr Wilhelm konnte den Teilnehmern sehr interessante Einblicke in die wechselhafte Geschichte der Suchtkrankenhilfe vor und nach der Wende eröffnen. Herr Dr. Thoms, Chefarzt der Kinder und Jugendpsychiatrie Leipzig Südost, Parkrankenhaus schloss mit einem sehr interessanten Vortag zum Thema „Kinder suchtkranker Eltern“ an. Mit zahlreichen Fallbeispielen wies Herr Dr. Thoms auf die Problematik dieser Kinder hin und machte auf eine notwendige bessere Versorgung aufmerksam. In den neun Arbeitsgruppen wurden Themen des Abstinenzerhaltes und der Rückfallgefahr erörtert. Die offene Atmosphäre unserer Dresdner Treffen ermöglichte auch in diesem Jahr wieder angeregte Diskussionen.
Neben den Arbeitsgruppen in denen der Erfahrungsaustausch im Vordergrund steht, erfreuten sich auch die Arbeitsgruppen „Betriebliche Suchtkrankenhilfe“ und „Pathologisches Glücksspiel und Internet“ guten Zulaufs.
Das Weiterbildungsseminar für Ärzte, Psychologen, Sozialarbeiter und andere in der Suchthilfe professionell Tätige hatte das Thema „Kindeswohl bei Kindern suchtkranker Eltern“. Hier konnte aus Sicht verschiedener Institutionen und Berufsgruppen der Hilfebedarf dargestellt und diskutiert werden. Zum Ende der Tagung hatte die GAD Sachsen die Vertreter aus der Politik zu einer Podiumsdiskussion geladen. Wir konnten in diesem Jahr Herrn Alexander Kraus, CDU, Frau Freya-Maria Klinger, Die Linke, Frau Dagmar Neukirch, SPD, und Frau Elke Hermann, Grüne begrüßen.
In der Diskussion wurde die Leistungsfähigkeit der Suchtkrankenhilfe in Sachsen beschrieben aber auch die Notwendigkeit für den Bestand des erreichten Niveaus eintreten zu müssen.
Uwe Wicha
Vorsitzender GAD-Sachsen
Zu unserer diesjährigen Tagung konnten wir wieder ca. 400 Teilnehmer begrüßen. Die Tagung hat sowohl für Professionelle, als auch für Betroffene und deren Angehörige an Bedeutung und Aufmerksamkeit gewonnen. Sie stellt eine Plattform des Meinungsaustausches dar. Darüber hinaus werden neueste wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Suchtforschung zur Primär- Sekundär – und Tertiärprävention vorgestellt und diskutiert.
In ihrem Einleitungsvortrag stellte Frau Dr. Spittler-Schneiders die Frage nach der Sinnhaftigkeit des „Hirndopings“. Sie zog dabei die Parallele vom Doping im Sport, welcher durchaus auch geeignet sein könnte, das Hirndoping im Alltag zu kanalisieren. Mittlerweile würden ca. 5 % der Beschäftigten die psychische Leistungsfähigkeit steigernde Medikamente einnehmen. Diese Entwicklung sei besorgniserregend. Hinter dieser Entwicklung, so Frau Dr. Spittler-Schneiders, stehen Fehleinstellungen: immer zu Höchstleistungen fähig zu sein, keine Fehler machen zu dürfen, keine Schwächen zeigen zu dürfen usw. Der Anspruch nach Glück und immer währender Zufriedenheit sei unrealistisch. Dieser Anspruch kann sich durchaus nach Eliot zur Tyrannei des Glückes umkehren.
Herr Dr. Weiß ging in seinem Vortrag sehr detailliert auf den Aufbau einer zufriedenen Abstinenz ein. In Sonderheit referierte er über Bewältigungsstrategien bei Konflikten, Spannungen etc. Dabei geht es u.a. um den Aufbau alternativer Erlebens- und Verhaltensweisen. So sei das Leben auf der einen Seite immer ein Fehlermanagement, auf der anderen Seite benötigen aber auch die Glückszustände ein adäquates Management. Der Volksmund hat hierfür die treffende Redewendung parat: Wenn es dem Esel zu gut geht, geht er auf´s Eis tanzen. Dieser Sachverhalt sei beim Rückfallgeschehen relativ häufig zu beobachten. Herr Dr. Weiß rundete seinen Vortrag damit ab, dass es gelte, die Früchte der Abstinenz zu ernten und diese auch genießen zu lernen.
In dem Bericht eines Betroffenen zu dem Thema: „Motivation zur Veränderung – wer nur trocken bleibt, vertrocknet“ wurde die Vielschichtigkeit des Aufbaus neuer Lebensziele und des ständigen Erhaltes der Abstinenz umschrieben. In einer sehr bildhaften und gut nachzuvollziehenden Sprache wurden lebensthematische Zielsetzungen mit ihrer positiv motivierenden Kraft, aber auch mit der Notwendigkeit auf Altes zu verzichten diskutiert. Für alle Zuhörer war es sehr wichtig, an einem konkreten Beispiel Möglichkeiten und Fallstricke der Veränderungsmotivation nachzuvollziehen. Herr Chefarzt Moritz hielt einen Vortrag zu den neuen Richtlinien bei der Medizinisch-Psychologischen Untersuchung für alkohol-/drogenauffällige Kraftfahrer. Er erläuterte die Anwendungsmodalitäten des vorgeschriebenen ETG-Wertes. Für alle Teilnehmer war dieser Vortrag äußerst wichtig, da viele Betroffene ihren Führerschein alkohol-/drogenbedingt verloren hatten. Auf der anderen Seite stelle der Führerschein ein wichtiges Instrument dar, um überhaupt wieder in den Arbeitsprozess zu gelangen. Herr Chefarzt Moritz verband die Medizinisch-Psychologische Untersuchung und den Modus der Abstinenzkontrolle mit dem Aufbau positiver Lebensziele und den Möglichkeiten des Wiedereinstieges in das Berufsleben.
In den neun Arbeitsgruppen wurden die verschiedensten Facetten des Aufbaus abstinenter Lebensstile, aber auch der Rückfallgefahren diskutiert. Die Arbeitsgruppen erarbeiteten kleine und übersichtliche Statements, welche in dem Tagungsband unserer Tagung 2011 veröffentlicht werden. In allen Arbeitsgruppen herrschte eine offene und diskussionsfreudige Atmosphäre. So hatten die Teilnehmer die Möglichkeit, ihre Erfahrungen differenziert darzustellen und in der gemeinsamen Gruppenarbeit entsprechende Schlüsse daraus zu ziehen. Die sehr speziell ausgerichteten Arbeitsgruppen zu den nicht substanzgebundenen Süchten, zu Sucht und Familie, als auch das Weiterbildungsseminar für Ärzte, Psycho-logen und andere Therapeuten erfreuten sich eines regen Zuspruchs.
Insgesamt zeichnete sich im Tagungsverlauf eindeutig die Erkenntnis ab, dass Suchter-krankungen keine Einzelerscheinungen mehr sind.
Zum Ende der Tagung hatte die GAD Sachsen die Vertreter aus der Politik zu einer Podiumsdiskussion geladen. Auf unsere Einladungen folgten einige Entschuldigungen von politischen Mandatsträgern, welche schon häufiger an unserer Tagung teilgenommen hatten, aber durch Veranstaltungen in ihren Parteien oder politischen Gremien gebunden waren. Von der CDU erschien Herr Frank Hirche und stellte sich der Diskussion. Kernpunkte der Diskussion waren folgende:
Das in Sachsen gut funktionierende Suchtkrankenhilfesystem soll unbedingt in seiner Effektivität und Funktionalität erhalten werden Kosteneinsparungen in diesem System gehen mit Personalabbau vor allen Dingen in den Suchtberatungsstellen einher. Mit einer möglichen personellen Ausdünnung innerhalb der Suchtberatungsstellen ist die adäquate Versorgung der Betroffenen Menschen nicht mehr möglich. Das hätte zur Folge, dass automatisch mehr Kosten auf die Krankenkassen, die Rentenkassen (Frühberentung) aber auch auf die Justiz (Straffälligkeit) zukommen würden.
Die Suchtkrankenhilfe in Sachsen benötigt Kooperationspartner sowohl im öffentlich-rechtlichen Raum, d. h. bei den Kommunen, Krankenhäuser etc., aber auch Kooperationspartner in der Wirtschaft.[Übersicht »»»]
Abschließend möchte ich mich herzlich für Ihre Unterstützung bedanken und verbleibe mit freundlichen Grüßen
Uwe Wicha
Vorsitzender GAD-Sachsen
Das Modellprojekt der Bundesregierung zur Heroinvergabe in 7 deutschen Großstädten ist abgeschlossen. Die Ergebnisse des Vergleiches von Heroinvergabe und Methadonsubstitution in 4 verschiedenen Teilnehmergruppen zeigten einen statistischen Vorteil für die Heroinvergabe. Folgende Zahlen werden im Bericht des Modellprojektes hervorgehoben: Die Untersuchung hatte 1032 Teilnehmer, geplant waren 1200. 20% davon waren Frauen, der Start des Modellprojektes erfolgte im Februar 2002. 2 Kriterien wurden besonders untersucht: die Verbesserung des Gesundheitszustandesder Rückgang des illegalen Drogenkonsums, wobei Methadonsubstituierte Patienten, die Heroin erhielten, gegenübergestellt wurden. Eine Verbesserung des Gesundheitszustandes wurde erfasst bei 80% der Heroinversorgten und 74% der Methadonsubstituierten. Ein Rückgang des illegalen Drogenkonsums wurde dargestellt bei 69% der Heroinversorgten und 55% der Methadonsubstituierten. Diese Differenzen hatten statistische Signifikanz.
Nun steht für die Heroinvergabe auf Betreiben von Hamburg und Hessen eine Gesetzesinitiative zur Einführung der „Diamorphinbehandlung“ in bundesweitem Ausmaß an. Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen beziehen bisher gegen diese Absichten Position. Damit ist der Zeitpunkt gegeben, nochmals eine differenziertere Bewertung des Modellprojektes und der zu erwartenden Auswirkungen auf die Praxis vorzunehmen.
Die Akquise der Teilnehmer des Modellprojektes erfolgte durch Veröffentlichungen in der regionalen Presse, über die die Teilnehmer eingeworben wurden. Da die Probandenzahl nicht ausreichte, wurden teilweise gut stabilisierte langzeitmethadonsubstituierte Patienten wieder mit Heroin versorgt. Von den Heroinversorgten erhielten bis zu einem Drittel täglich zusätzlich Methadon zur Kupierung von Entzugserscheinungen. Beikonsum wurde mangelhaft kontrolliert, dabei ist prinzipiell bei Heroinversorgten der zusätzliche illegale Konsum von Straßenheroin mit Bestimmtheit schwer nachweisbar. Zu erwähnen ist, daß Heroin als Reinsubstanz erheblich komplikationsträchtiger ist als andere Substitutionsmittel. Heroin wird von den Abhängigen wegen des damit verbundenen Kicks genommen. Wird nun „knapp“ dosiert, werden die gewünschten Effekte bei den Konsumenten nicht eintreten und der Beikonsum wächst. Wird reichlich dosiert, kommen soziale Reintegration oder auch weitere kriminelle Aktionen nicht infrage, da der Konsument über Stunden dazu unfähig ist. Bei beiden Personengruppen wird mit sinkendem Spiegel nicht die soziale Integration, sondern Craving die Szene bestimmen und auch die Handlungsweisen. Es ist fraglich, wie in solchem Wechselspiel Persönlichkeitsentwicklung und Abstinenzorientierung in größerer Zahl Platz greifen sollen. Nicht vernachlässigt werden kann der hohe ökonomische Aufwand für eine sehr kleine Zielgruppe. Dabei haben wir zur Zeit zu wenig finanzielle Mittel bei der ständig steigenden Zahl jugendlicher Cannabisabhängiger einzusetzen. Wenn die Heroinvergabe bundesweit eingeführt wird, ist das bezogen auf die Aufgaben des Suchtkrankenhilfesystems eine Fehlallokation zur Verfügung stehender Mittel. Natürlich wird für den Einsatz von Diamorphin angekündigt, daß dies nach strengsten Kriterien erfolgt. Diese Vorgaben erinnern sehr stark an die Aussagen vor der Etablierung der Methadonsubstitution in Deutschland Anfang der 90er Jahre. Hier lohnt sich allerdings ein Blick auf die heutige Praxis. Psychosoziale Begleitung soll bei den Substituierten obligat sein. In Sachsen aber erhalten sie nicht einmal 50% der Methadonsubstituierter. Dieser Mangel ist vordringlich zu beheben. Ursprünglich war der Methadoneinsatz als Ausnahme mit 3 Indikationen vorgesehen: als Palliativbehandlung, als Unterstützung für gravide Opiatabhängige und als Überbrückung bis zum Antritt einer abstinenzorientierten Therapie. Daraus geworden ist heute zum Teil eine Dauerversorgung abstinenzunwilliger Patienten. Beikonsum und take-home-Dosen sind Alltag in der Substitution. Sollte die Gesetzesinitiative Erfolg haben, wird für die Heroinvergabe eine gleiche Entwicklung in der Praxis zu erwarten sein. Wir werden kurze Zeit nach dem „strikten“ Beginn über die take-home-Dosis von Heroin reden und dann wird dieser Weg Praxisalltag sein. Drogenabhängige kommen so aus dem Gesichtsfeld der Gesellschaft, Drogenabhängigkeit aber wird chronifiziert. Die Heroinvergabe in Sachsen einzuführen, kann deshalb nicht empfohlen werden. Diese Position wird auch von namhaften sächsischen Gremien gestützt. Am 11./12. Mai 2007 fand in Dresden eine Tagung der Gesellschaft gegen Alkohol- und Drogengefahren statt mit 400 Teilnehmern. Heroinvergabe wurde dort einhellig abgelehnt. Am 03.07.2007 tagte der Fachausschuß „Stationäre Einrichtungen“ der Sächsischen Landesstelle gegen die Suchtgefahren, in dem u.a. alle psychiatrischen Fachkrankenhäuser und eine Vielzahl psychiatrischer Abteilungen vertreten sind. Auch dort wurde die Einführung von Heroinvergabe einstimmig abgelehnt. Wir können unserer Staatsregierung und dem Sozialministerium nur Standfestigkeit wünschen in der Beibehaltung der bisherigen Position. Sollte sich die Heroinvergabe dennoch in Deutschland etablieren, kann das nur unter ordnungspolitischem Gesichtspunkt geschehen. Dann muß die Versorgung aber außerhalb des Suchtkrankenhilfesystems und zu Lasten der Haushalte der Innen- oder Justizministerien der jeweiligen Länder erfolgen. Heroinvergabe ist keine Behandlung der Abhängigkeit.
Dr. F. Härtel
Suchtbeauftragter
Im Haushaltsentwurf des SMS für die Jahre 2009/2010 ist eine Kürzung der Haushaltstitel, die die Förderung von Suchtberatungsstellen betreffen, um annähernd 20% im Vergleich der Jahre 2005 mit 2010 enthalten. Suchtberatungsstellen sind in Sachsen seit Jahren das etablierte Herzstück ambulanter Suchtkrankenhilfe, sie sind erster weichenstellender Anlaufpunkt bei der Entwicklung von Krankheitsverständnis und dem Zugang zu den verschiedenen Behandlungen. Sie vermitteln Krankenhausbehandlung und Rehabilitation, leisten die Arbeit mit den Angehörigen und die poststationäre Nachsorge, kooperieren mit ambulanten Ärzten und Selbsthilfegruppen. In den letzten Jahren haben trotz bereits eingetretener Kürzungen neue Aufgaben in der Versorgung Drogenabhängiger, Polytoxikomaner, pathologischer Glücksspieler die Beratungsstellen vermehrt in Anspruch genommen. Ein nochmaliger Patientenzuwachs im Zusammenhang mit Computerspielen und Handyspielen kommt. Dieser Ansturm ist weder personell noch in den Behandlungskapazitäten aufzufangen. Damit steht, wenn wir die erkrankten Mitglieder unserer sächsischen Jugend nicht ihrem Schicksal überlassen wollen, nur eine Erhöhung der Aufwendungen für Suchtberatungsstellen zur Disposition und das auf Dauer und nicht nur projektbezogen vorübergehend. Seit der Wende wurden im Sächsischen Sozialministerium und Sächsischen Landtag die Entwicklung der Suchtberatungsstellen gesehen und haushaltstechnisch berücksichtigt. In die gleiche Richtung gehen die Beschlüsse des Sächsischen Landtages vom 21.07.2006 (Drucksache 4/4268 „Suchthilfe in Sachsen ausbauen“) und die Koalitionsaussage in der Vereinbarung von 2004. Diese Grundlagen sächsischer Suchtpolitik werden durch den neuen Haushaltsansatz unglaublich konterkariert. Wer vergißt hier die eigenen Festlegungen? Wir fordern, diese Beschneidungen der Beratungsstellenförderung im Haushalt komplett aufzuheben, mit der Sächsischen Landesstelle bzw. den verschiedenen Wohlfahrtsverbänden die Erhöhung der Beratungsstellenförderung abzustimmen, weil sich das Aufgabenspektrum wie aufgezeigt erweitert. Das wohlhabende Sachsen ist in der Lage, die finanziellen Folgen aus dem Desaster der Sachsen-LB zu kompensieren. Deshalb erwarten wir, daß auch für erkrankte Bürger Sachsens die nötigen finanziellen Mittel aufgewendet werden.